1. Was man über die Negation (Verneinung) wissen sollte.
2. Satznegation und Satzstellung von nicht
3. Wortnegation mit nicht
4. Negation mit kein
5. Negative Indefinitpronomen und Adverbien
6. Konjunktionen mit verneinenden Aussagen
7. Präpositionen mit verneinenden Aussagen
8. Präfixe und Suffixe mit verneinenden Aussagen
9. Geltungs- und Fokusbereich der Negation
10. Zusätzliche Hinweise auf die Stellung von nicht
11. Zum Verhältnis von nicht zu nicht ein und kein
1. Was man über die Negation (Verneinung) wissen sollte.
Die Negation verneint eine Aussage. Die Verneinung wird durch Negationswörter wie nicht, kein, weder … noch, nichts, niemand usw. ausgedrückt. Grundsätzlich kann man eine Aussage verneinen oder bejahen:
· Sind Sie Herr Peters? – Nein.
· Sind Sie Herr Schulz? – Ja.
Die Satznegation hingegen lautet ‘nicht’.
Sind Sie Herr Peters? – Nein, der bin ich nicht. Mein Name ist Otto, Karl Otto.
Sind Sie Herr Schulz? – Ja, ich bin Herr Schulz.
Auf eine negative Frage lautet die positive Antwort doch. Die negative Antwort bleibt unverändert.
· Sind Sie nicht Herr Peters? – Nein.
· Sind Sie nicht Herr Schulz? – Doch. (Ich bin Herr Schulz.)
2. Satznegation und Satzstellung von nicht
“Nicht” kann entweder einen ganzen Satz, ein Verb oder ein Nomen mit dem bestimmten Artikel negieren.
· “Nicht” wird ans Satzende gestellt.
o Schläfst du? – Nein, ich schlafe nicht.
o Kaufst du die Schuhe? – Nein, ich kaufe die Schuhe nicht.
o Leihst du mir morgen das Auto? – Nein, ich leihe dir morgen das Auto nicht.
· Steht ein Verb am Satzende, wird “nicht” vorgestellt. (trennbare Verben, Sätze mit Modalverben, Infinitiven, Perfekt, Prädikativen)
o Rufst du Robert heute Abend an? – Nein, ich rufe ihn heute Abend nicht an.
o Hat der Dieb auch den Schmuck gestohlen? – Nein, den hat er nicht gestohlen.
o Könntest du die drei schweren Koffer tragen? – Nein, die kann ich leider nicht tragen.
· “Nicht” wird ebenfalls vor einer Präposition gestellt. (Präpositional-, Direktiv– und Situativ-Ergänzung)
o Warten Sie auf den Zug nach Köln? – Nein, ich warte nicht auf den Zug nach Köln.
o Liegt das Buch auf dem Tisch? – Nein, es liegt nicht auf dem Tisch.
o Fährt Herr Maisenberg nach London? – Nein, er fährt nicht nach London.
· Steht die Präposition auf Position 1, wird “nicht” nicht vorgestellt, sondern steht wie gewohnt am Ende. “Nicht” darf nicht auf Position 1 stehen!
o Warten Sie auf den Zug nach Köln? – Nein, auf den warte ich nicht.
o Liegt das Buch auf dem Tisch? – Nein, auf dem Tisch liegt es nicht.
o Fährt Herr Maisenberg nach London? – Nein, nach London fährt er nicht.
· Ebenso wird “nicht” vor modalen Angaben gestellt.
o Müssen Sie viel arbeiten? – Nein, ich muss nicht viel arbeiten.
o Ich hoffe für dich, dass du nicht vergebens auf ihn wartest.
o Mein Mann geht leider nicht gern tanzen.
3. Wortnegation mit nicht
Manchmal kommt es vor, dass nicht der ganze Satz negiert werden soll, sondern nur ein bestimmter Satzteil (z.B.: Nominativ-, Akkusativ-, Dativ-Ergänzung oder Angaben). Das Negationswort “nicht” steht dann vor dem Satzteil, das verneint werden soll. Meist wird zum negierten Satzteil mit “sondern” die Alternative angeboten. Soll ein Satzteil negiert werden, wird “nicht sowie der negierte Satzteil” durch eine stärkere Betonung sprachlich hervorgehoben. In diesen speziellen Fällen kann “nicht” auch auf Position 1 stehen:
· Nicht Carsten hat die Vase kaputt gemacht, sondern Michael.
· Kinder, ihr macht nicht nachher eure Hausaufgaben, sondern jetzt.
· Nicht sein Auto hat Udo mir geliehen, sondern das Auto seiner Freundin.
· Er hat nicht eine Flasche Bier getrunken, sondern gleich einen ganzen Kasten.
· Ich schenke nicht dir die Blumen, sondern deiner Frau.
· Du sollst die Heizung nicht ab-, sondern aufdrehen.
“Nicht” kann auch ein Adjektiv, ein Partizip oder eine ganze Adjektivgruppe negieren. In diesen Fällen wird “nicht” ebenfalls vor das Adjektiv gestellt:
· Der älteste Sohn von den Maiers hat sich in eine nicht eheliche Minderjährige verliebt.
· Der nicht gerade sehr intelligente Hubert hat kürzlich mal wieder viel Pech gehabt.
· Lieber Peter, willst du wirklich das nicht gebügelte weiße Hemd anziehen?
4. Negation mit kein
Die Negation eines Nomens mit bestimmten Artikel lautet “nicht“.
Die Negation eines Nomens mit unbestimmten Artikel lautet “kein-“.
Die Negation eines Nomens mit Nullartikel lautet “kein-“.
Der unbestimmte Artikel wird demnach mit “ kein-” verneint. Der Negationsartikel “kein-“ wird wie der unbestimmte Artikel dekliniert.
Achtung: Im Plural fällt der unbestimmte Artikel weg!! Der Plural hat jedoch einen Negativartikel!!!
Kasus |
Maskulinum |
Femininum |
Neutrum |
Plural |
Nominativ |
kein |
keine |
kein |
keine |
Akkusativ |
keinen |
keine |
kein |
keine |
Dativ |
keinem |
keiner |
keinem |
keinen |
Genitiv |
keines |
keiner |
keines |
keiner |
· Ist das ein Auto? – Nein, das ist kein Auto, sondern ein Fahrrad.
· Ist das ein Tisch? – Nein, das ist kein Tisch, sondern eine Lampe.
· Sind das _ Tische? – Nein, das sind keine Tische, sondern _ Stühle. ( Plural !!! )
· Hat er eine Tochter? – Nein, er hat keine Tochter, sondern einen Sohn.
Steht das Zahlwort “eins” (Zahlwörter = eins, zwei, drei, …) vor einem Nomen, wird es wie der unbestimmte Artikel dekliniert. Das Zahlwort “eins” wird mit “nicht” negiert.
· Der reiche Herr Pumpelpumpe hat nicht eine Freundin, sondern gleich drei.
· Herbert hat nicht einen (zwei, drei, …) Bruder (Brüder), sondern fünf.
· Herr Duddelbrubbel hat nicht ein Glas Bier getrunken, sondern elf Flaschen.
5. Negative Indefinitpronomen und Adverbien
Auch bei den Indefinitpronomen und Adverbien gibt es bestimmte Negationswörter, denen bejahende Begriffe gegenüberstehen. Folgende Tabelle gibt einen Überblick:
Bejahend |
Verneinend |
Beispiele |
|
Personen |
jemand |
niemand |
Hast du dort jemanden getroffen? – Nein, dort habe ich niemanden getroffen. |
Sachen |
etwas, alles |
nichts |
Hast du schon etwas gegessen? – Nein, ich habe noch nichts gegessen. |
Zeit |
jemals, oft, immer, manchmal |
nie, niemals |
Warst du schon jemals in der Antarktis? – Nein, dort war ich noch nie. Dort möchte ich auch niemals hin. |
Ort |
irgendwo, überall |
nirgendwo, nirgends |
Irgendwo auf dem Tisch muss mein Schlüssel liegen. Ich kann ihn aber nirgends finden. |
Richtung |
irgendwohin |
nirgendwohin |
Die Hansens haben kein Geld. Im Urlaub fahren sie nirgendwohin. Die Ottos haben genug Geld. Sie fahren irgendwohin, vielleicht nach Italien. |
6. Konjunktionen mit verneinenden Aussagen
· Mit “weder … noch” können zwei ganze Sätze oder zwei parallele Satzglieder verneint werden.
o Der neue Freund von Martina ist nicht reich. Er ist auch nicht gut aussehend.
Der neue Freund von Martina ist weder reich noch (ist er) gut aussehend.
o Sebastian hat keine Arbeit. Er hat auch kein Geld.
Sebastian hat weder Arbeit noch (hat er) Geld.
o Der alte Mann kann nicht lesen. Er kann nicht schreiben.
Der alte Mann kann weder lesen noch schreiben.
· Ein Satz mit “ohne … zu” ist subjektlos. Das Verb steht im Infinitiv am Satzende.
o Gustav geht zur Arbeit. Er frühstückt nicht.
Gustav geht zur Arbeit ohne zu frühstücken.
o Der Gast hat das Lokal verlassen. Er hat die Rechnung nicht bezahlt.
Der Gast hat das Lokal verlassen ohne die Rechnung zu bezahlen.
7. Präpositionen mit verneinenden Aussagen
Auch Präpositionen können dazu eingesetzt werden, Aussagen zu verneinen: Dazu gehören:
· “ohne” + Akkusativ
o Mein Mann trinkt den Kaffee immer schwarz. Er nimmt auch keinen Zucker.
o Mein Mann trinkt den Kaffee immer ohne Milch und Zucker.
o Die junge Frau sonnt sich. Sie trägt keinen Bikini.
Die junge Frau sonnt sich ohne Bikini.
· “außer” + Dativ
o Fast alle Studenten haben die Prüfung bestanden. Nur Heiner nicht.
Alle Studenten außer Heiner haben die Prüfung bestanden.Im Urlaub hatten wir nur schönes Wetter. Aber am letzten Tag nicht.
o Im Urlaub hatten wir außer dem letzten Tag nur schönes Wetter.
8. Präfixe und Suffixe mit verneinenden Aussagen
Präfixe, auch Vorsilben genannt, und Suffixe, auch Nachsilben genannt, dienen im Wesentlichen zur Wortbildung und werden an einen Wortstamm angefügt. Präfixe stehen vor dem Wortstamm (unsympathisch), Suffixe dahinter (fantasielos). Einige dieser Vor- bzw. Nachsilben verneinen Begriffe. Dazu gehören:
Präfixe:
· apolitisch, asozial, atypisch
Das Vogelmännchen verhält sich atypisch.
· desillusioniert, desinfiziert, desinteressiert, desorganisiert, desorientiert
Der Schüler scheint heute so desinteressiert.
· indiskutabel, indiskret, inkompetent, instabil, intolerant
Die Zuschauer pfiffen ihre Mannschaft nach der indiskutablen Leistung aus.
Die politische Landschaft in der Krisenregion bleibt nach wie vor sehr instabil.
· irrational, irregulär, irreal, irrelevant, irreligiös, irreparabel
Im Internet gibt es viele irreale Spiele.
Das Radio ist total kaputt. Es ist irreparabel.
· unbeliebt, unbewusst, unehrlich, unfähig, unendlich, unfreundlich, ungeduldig, ungeeignet, ungerecht, unhöflich, unkompliziert, unsicher, unschön, unschuldig, unverständlich, unzufrieden, …
Herr Fischer ist bei allen Schülern äußerst unbeliebt.
Das kleine Kind ist sich der Gefahren unbewusst.
Diesen Bewerber hält der Personalchef für ungeeignet.
In diesem Restaurant gibt es nur unhöfliches Personal.
Suffixe:
· anspruchslos, arbeitslos, erfolglos, ergebnisloss, freudlos, hilflos, humorlos, leblos, sinnlos, sprachlos, taktlos, verantwortungslos, …
Nach stundenlanger Tagung brach der Vorsitzende die Sitzung ergebnislosab.
Der Verletzte lag stundenlang hilflos am Berghang, bevor er gerettet wurde.
Nach seiner fantasievollen Liebeserklärung blieb das schüchterne Mädchen sprachlos.
Ich habe noch nie in meinem Leben so verantwortungslos Eltern gesehen.
9. Geltungs- und Fokusbereich der Negation
Bei der Syntax der Negation sind zwei Erscheinungen auseinanderzuhalten, die oft
verwechselt werden:
1. – der Geltungsbereich oder Skopus der Negation
2. – der Fokus der Negation
9.1. Der Geltungsbereich oder Skopus der Negation
Der Geltungsbereich oder Skopus der Negation lässt sich mit einer Umschreibungsprobe
bestimmen, nämlich mit der Umwandlung des fraglichen Satzes in eine Konstruktion
des Typs »Es ist nicht der Fall, dass …«. Der Geltungsbereich der Negation entspricht
dann dem dass-Nebensatz.
In simplen Sätzen umfasst der Geltungsbereich der Negation den ganzen Satz:
Anna hat das Buch nicht gelesen.
→ Es ist nicht der Fall, dass Anna das Buch gelesen hat.
Aber schon in nur wenig komplizierteren Sätzen zeigt sich, dass manche Elemente nicht im
Geltungsbereich der Negation stehen:
Anna hat das Buch leider nicht gelesen.
→ Es ist nicht der Fall, dass Anna das Buch leider gelesen hat.
→ Es ist leider nicht der Fall, dass Anna das Buch gelesen hat.
(Das Kommentaradverb leider steht nicht im Geltungsbereich der Negation.)
9.2 Fokus der Negation
Negierte Sätze äußert man gewöhnlich nicht einfach ins Blaue hinein – normalerweise will man damit eine Aussage oder eine Erwartung korrigieren, und zwar meist nicht sämtliche Aspekte davon. Vielmehr steht gewöhnlich ein Teil der Aussage im Zentrum der Aufmerksamkeit. Um zu einem zutreffenden, nicht verneinten Satz zu gelangen, muss man diesen Teil korrigieren. Man spricht hier vom Fokus der Negation. Mit anderen Worten: Der Fokus der Negation kann maximal ihrem Geltungsbereich entsprechen, gewöhnlich umfasst er aber nur einen größeren oder kleineren Ausschnitt davon.
Der Fokus der Negation kann mehr oder weniger kontrastiv sein. Kontrastiver Fokus ist in gesprochener Sprache mit besonderen Intonationsmustern verbunden, siehe dazu § 187. In gesprochener wie in geschriebener Sprache sind Korrekturen, die mit sondern angeschlossen werden, Hinweise auf kontrastiven Fokus. Im folgenden Beispiel ist der Geltungsbereich der Negation blau hinterlegt, der Fokus ist mit Unterstreichung angezeigt:
Es scheint, dass Otto die Schere nicht in die Schublade gelegt (hat), sondern in den Müll geworfen hat.
Man kann diesen Satz so umschreiben:
Es scheint, dass es nicht der Fall ist, dass Otto die Schere in die Schublade gelegt hat.
(Sondern es ist der Fall, dass Otto die Schere in den Müll geworfen hat.)
Für die Stellung der Negationspartikel nicht ist nicht deren Geltungsbereich, sondern deren Fokus maßgeblich; nicht vereinigt in sich also die Funktionen eines Negationswortes und einer Fokuspartikel. Als allgemeine Regel kann man formulieren:
Die Negationspartikel nicht steht am linken Rand ihres Fokus. |
Bevor diese Regel durch Beispiele erläutert wird, ist noch auf eine traditionelle Unterscheidung einzugehen: Man spricht von Sondernegation, wenn der Fokus der Negation nur ein einzelnes Satzglied oder sogar nur einen einzelnen Bestandteil eines Satzglieds umfasst. Wenn der Fokus das gesamte Prädikat mit einschließt, gegebenenfalls zusammen mit Satzgliedern, spricht man von Satznegation. Diese Fachausdrücke sind etwas missverständlich: In einem logischen Sinn wird in beiden Fällen der Satz negiert (= Geltungsbereich der Negation;). Und Korrekturen mit sondern können nicht nur bei Sondernegation, sondern auch bei Satznegation auftreten; siehe dazu auch unten Beispiel (h).
Die folgenden Beispiele weisen der Deutlichkeit halber kontrastiven Fokus auf. Wie vorangehend ist der Geltungsbereich der Negation blau hinterlegt, der Fokus ist mit Unterstreichung angezeigt.
– Beispiele mit Satznegation (der Fokus der Negation ist unterschiedlich weit, schließt aber immer das Prädikat mit ein):
(a) Otto hat glücklicherweise nicht die Schere in den Müll geworfen (sondern den Schraubenzieher auf den Tisch gelegt).
(b) Otto hat die Schere glücklicherweise nicht in den Müll geworfen (sondern in die Schublade gelegt).
– Beispiele mit Sondernegation (der Fokus der Negation umfasst nur ein einzelnes Satzglied oder einen Teil davon):
(c) Otto hat die Schere glücklicherweise nicht in den Müll geworfen (sondern unter den Tisch).
(d) Otto hat glücklicherweise nicht die Schere in den Müll geworfen (sondern nur Papierfetzen).
(e) Otto hat glücklicherweise nicht die große Schere in den Müll geworfen (sondern die
kleine).
(f) Offenbar hat nicht Otto die Schere in den Müll geworfen (sondern Oskar).
Satz- und Sondernegation sind in geschriebener Sprache nicht immer leicht voneinander zu unterscheiden. So weisen die Beispiele (b) und (c) die genau gleiche Wortstellung auf, erst die ausdrückliche Korrektur mit sondern macht den jeweiligen Fokus deutlich. In gesprochener Sprache gelten die folgenden Tendenzen:
– Bei weitem Fokus (= Satznegation) trägt die Negation den Hauptakzent.
– Bei engem Fokus (= Sondernegation) trägt die fokussierte Phrase den Hauptakzent.
Der Fall, dass der Fokus der Negation mit ihrem Geltungsbereich zusammenfällt, tritt gar nicht so häufig auf. Typisch sind Nebensätze, in denen die Negation unmittelbar nach der einleitenden Subjunktion steht:
(g) Wir wollen, dass nicht unsere Ware zurückkommt, sondern unsere Kunden wiederkommen und uns mit voller Überzeugung weiterempfehlen. Das aber kann nur bedeuten, dass nicht die Menschen Diener der sogenannten Wirtschaft bzw. der Unternehmer unter ihnen sind, sondern dass umgekehrt wirtschaftliche Aktivitäten dem Zweck des Wohlergehens der Menschen zu dienen haben.
Beispiel für einen Hauptsatz mit Fokus von nicht über (fast) den ganzen Satz:
(h) Leider hat nicht ein Abgeordneter persönlich geantwortet, sondern die Fraktionen haben sich geäußert.
Am ehesten trifft man satzweiten Fokus in Konstruktionen des Typs nicht nur – sondern auch, wo aber keine eigentliche Negation vorliegt, sondern eine Art Reihung:
(i) Doch hat nicht nur die Kapitalflucht der gerade zurückgekehrten russischen Anleger wieder eingesetzt, sondern einige ausländische Firmen haben ihre geplanten Investitionen in Russland storniert.
10. Zusätzliche Hinweise auf die Stellung von nicht
Bei der Stellung der Negationspartikel nicht sind über die Grundregel hinaus einige Besonderheiten zu berücksichtigen.
1. Die unterschiedliche Stellung des finiten Verbs je nach Satzform hat keinen Einfluss auf die Stellung der Negation. Bei unbesetzter rechter Satzklammer kann die Negationspartikel daher auch am Ende des Satzes stehen (d). Beispiele mit Verbletztsätzen (a, c) und Verbzweitsätzen (b, d):
(a) (Ich glaube, …) dass [Anna] [das Buch] nicht gelesen hat.
(b) [Anna] hat [das Buch] nicht gelesen.
(a) (Ich glaube, …) dass [Anna] [das Buch] nicht liest.
(b) [Anna] liest [das Buch] nicht.
2. Wenn der Fokus der Negation das Prädikat umfasst (Satznegation), sind (a) adverbiale und (b) prädikative Ergänzungen gewöhnlich mit inbegriffen. Die Negationspartikel nicht steht dann vor diesen Satzgliedern:
(a) Die Goldkette befand sich nicht [im Tresor]. Otto hat das Buch nicht [auf den Tisch] gelegt. Die Gäste haben sich leider nicht [anständig] benommen.
(b) Der Gärtner war nicht [der Mörder]. Zum Glück bin ich nicht [krank] geworden.
3. Wenn nur ein Element innerhalb eines Satzgliedes Fokus der Negation ist, kann die Negationspartikel oft nicht unmittelbar vor dieses Element gestellt werden; sie steht dann vor dem ganzen Satzglied. Das ist der Fall:
· wenn innerhalb von (a) Präpositional- oder (b) Konjunktionalphrasen die Nominalphrase fokussiert ist:
(a) Sie steht nicht [vor [dem Haus] ], sondern vor der Garage. (Sie steht [vor nicht [dem Haus] ], sondern vor der Garage.)
(b) Er bekämpft die Psychologie nicht [als [Wissenschaft] ], sondern als Religionsersatz.
· wenn nur das Substantiv als Kern einer Nominalphrase fokussiert ist:
(c) Nicht [der neue Verteidiger], sondern der neue Torwart hat den Schiedsrichter beschimpft.
(d) Auch bei elliptischer Einsparung von Wortteilen: Das ist nicht [der Vorder-], sondern der Hintereingang.
· wenn nachgestellte Attribute fokussiert sind (e); Genitivattribute sind allerdings ein Zweifelsfall (f):
(e) Ich habe nicht [den Schrank [aus Italien] ], sondern den/denjenigen aus Frankreich gekauft. (Ich habe [den Schrank [nicht aus Italien] ], sondern den/denjenigen aus Frankreich gekauft.)
(f) Das ist nicht [das Haus [meiner Eltern allein] ], sondern meiner ganzen Großfamilie.
(?Das ist [das Haus [nicht meiner Eltern allein] ], sondern meiner ganzen Großfamilie.
· wenn in einer Verbindung aus Gradpartikel und Adjektiv nur das Adjektiv fokussiert ist:
(g) Das Konzert war nicht [sehr schön], sondern sehr laut.
4. Die Negation nicht hat gewöhnlich den Status einer Partikel und kann daher nicht allein das Vorfeld besetzen (a), sondern nur zusammen mit einem Satzglied (b) (Sondernegation):
(a) Nicht brachte Anna das Buch.
(b) Nicht [Anna] brachte das Buch (sondern Beate).
Die Stellung im Vorfeld ist freilich nicht ganz ausgeschlossen; sie findet sich vor allem, wenn ein besonderer Kontrast erreicht werden soll.
Beispiel:
Gewiss, der Mann konnte in seiner Sprache zu ihm reden, er war ja Mensch gewesen und Mensch geblieben, nicht hatte er das Sprechen verlernt, all die Worte fielen ihm wieder ein. Nicht war er etwa als Belgier gleichgültig gegen die deutsche Katastrophe, sondern als Europäer Nicht hatte er seinesgleichen unter den Göttern, seinen Brüdern (deutsche Übersetzung eines altorientalischen Mythos). Nicht gab es hier die leiseste Bemühung, einen Handel abzuschließen, im Gegenteil …
Die Negation verhält sich dann wie negierende Adverbien des Typs keinesfalls .
Beispiel:
Keinesfalls will ich jemand meine Meinung aufdrängen. Keinesfalls will ich mir dabei die ganze Arbeit selbst aufhalsen.
Die Konstruktion mit nicht im Vorfeld findet sich häufiger, wenn die Negation durch Abtö- nungspartikeln verstärkt wird, etwa mit (a) schon gar oder (b) überhaupt.
Beispiel:
(a) Schon gar nicht hatte er heimlich Massenvernichtungswaffen angehäuft, wie die USRegierung offiziell noch immer behauptet. Schon gar nicht hatte er auch nur eine leise Ahnung von den in mir brachliegenden besten Möglichkeiten. Schon gar nicht hatte er den Anspruch, mit einem praktischen politischen Programm aufzuwalten. Schon gar nicht war er ein rationaler Kritiker katholischer Orthodoxie.
(b) Weniger oder überhaupt nicht gefiel ihm die Tatsache, dass wir wohl ein Mitspracherecht haben und in allen Belangen wie Schulgesetz, Promotionsreglement … Überhaupt nicht gefiel mir der Duft der Farben. Und überhaupt nicht mag ich Intoleranz, gepaart mit Dummheit!
11. Zum Verhältnis von nicht zu nicht ein und kein
Wenn man die Umschreibungsprobe auf Sätze anwendet, die Nominalphrasen mit dem Artikelwort kein enthalten, erscheinen artikellose Nominalphrasen oder solche mit dem Artikelwort ein (irgendein):
(a) Es fehlt [kein Schräubchen]. → Es ist nicht der Fall, dass [ein/irgendein Schräubchen] fehlt.
(b) Es fehlen [keine Schräubchen]. → Es ist nicht der Fall, dass [Schräubchen] fehlen.
(c) Es fehlt [kein Material]. → Es ist nicht der Fall, dass [Material] fehlt.
Statt kein erscheint aber zuweilen die Verbindung nicht ein. Satz (d) ist akzeptabel, wenn man ein stärker betont (siehe auch nachstehend, Besonderheiten):
(d) Es fehlt nicht ‘ein Schräubchen.
Es stehen hier also zwei Muster zur Verfügung: einerseits Nominalphrasen mit kein und andererseits solche mit nicht ein oder nur mit nicht. Das zweite Muster erscheint vor allem bei Kontrast, sonst herrscht die Verwendung von kein vor. Der Sprachgebrauch ist hier aber nicht ganz strikt, wie die folgenden Beispiele mit kontrastivem Fokus zeigen:
Otto hat nicht Wasser getrunken, sondern Bier. (Auch: Otto hat kein Wasser getrunken, sondern Bier.) Ich habe nicht ein Auto gekauft, sondern ein Fahrrad. (Auch: Ich habe kein Auto gekauft, sondern ein Fahrrad.)
Besonderheiten:
· Wenn ein als Kardinalzahl interpretiert werden soll, steht die Partikel nicht. Die Kardinalzahl ist in Sätzen wie den folgenden betont (Kontrast):
Otto besitzt nicht ‘ein Buch.
· Wenn Substantive keine Phrasenkerne mehr sind, sondern als Nebenkerne ins Prädikat integriert sind, steht nicht:
Sie konnten mit der Entwicklung nicht Schritt halten.
(Sie konnten mit der Entwicklung keinen Schritt halten.)
Schwankend:
§ Phrasal: Wir können darauf keinen Bezug nehmen.
§ Nicht phrasal: Wir können darauf nicht Bezug nehmen.
§ Ähnlich: Wir hatten keine / nicht Angst. Ich habe keinen / nicht Hunger.
· Wenn das Prädikativ bei einem Kopulaverb wie sein aus einem reinen Substantiv in der Bedeutung einer Funktionsbezeichnung besteht, fehlt der indefinite Artikel oft. In verneinten Sätzen erscheint dann die Negationspartikel nicht:
Er ist nicht [Schauspieler]. (→ Es ist nicht der Fall, dass er Schauspieler ist.) (Daneben auch:) Er ist [kein Schauspieler]. (→ Es ist nicht der Fall, dass er [ein Schauspieler] ist.) Aber mit adjektivischem Attribut nur: Er ist [kein guter Schauspieler]. (→ Es ist nicht der Fall, dass er [ein guter Schauspieler] ist.)
· Das Artikelwort kein tritt nicht in Konjunktionalphrasen mit als auf:
Ich sage das nicht als Arzt. (Ich sage das als kein Arzt.)
Sie arbeitet nicht als Psychologin. – (Sie arbeitet als keine Psychologin.)