1. Textstruktur
2. Kohäsion und Kohärenz
3. Konnektoren
4. Anapher und Katapher
5. Deixis
1. Textstruktur
1.1 Allgemeines
Unter Text wird gewöhnlich eine längere sprachliche Äußerung, oder genauer, eine Gesamtheit von Satzäußerungen verstanden.
Es wird zwischen geschriebenen und mündlichen Texten unterschieden. Die Letzteren werden häufig als Diskurse bezeichnet. Außerdem wird zwischen Texten (oder Diskursen) ohne (Monolog) und solchen mit Sprecherwechsel (Dialog) – unterschieden.
Nicht jede Gesamtheit von Satzäußerungen ist ein Text; die einzelnen Teile eines Textes müssen aufeinander bezogen sein. Darauf weist auch die Etymologie des Wortes hin: Das lateinische textum heißt ursprünglich ‘Gewebe’, und auch Textilien leitet sich daraus her.
Ein Text ist genauer eine Sequenz von Satzäußerungen, die durch thematische Kontinuität und damit durch einen satzübergreifenden Bedeutungszusammenhang charakterisiert sind.
Texte haben also eine Struktur und unterliegen damit bestimmten Strukturprinzipien, genauso wie Sätze. Die Strukturprinzipien von Sätzen und von Texten sind aber von unterschiedlicher Natur.
Satzgrammatische Regeln machen wesentlich engere Vorgaben, und Verstöße gegen die Regeln werden deutlicher wahrgenommen als Verstöße gegen Regeln des guten Textaufbaus.
2.2 Beziehungen in Texten
Es gibt zwei grundlegende Arten von Beziehungen, die die einzelnen Textsegmente miteinander verbinden und so den Text zusammenhalten:
• anaphorische Beziehungen
• rhetorische Reziehungen
(1) 1A [Es war einmal mitten im Winter, und die Schneeflocken fielen wie Federn vom Himmel herab.] 1B [Da saß eine Königin1 an einem Fenster, das einen Rahmen2 von schwarzem Ebenholz3 hatte, und nähte.] 1C [Und wie sie1 so nähte4 und nach dem Schnee aufblickte,] 1D [stach sie1 sich1 mit der Nadel4 in den Finger,] 1E [und es fielen drei Tropfen Blut in den Schnee.] 1F [Und weil das Rote im weißen Schnee so schön aussah,] 1G [dachte sie1 bei sich: Hätt’ ich ein Kind, so weiß wie Schnee, so rot wie Blut und so schwarz wie das Holz3 an dem Rahmen2!] 1H [Bald darauf bekam sie1 ein Töchterlein, das war so weiß wie Schnee, so rot wie Blut und so schwarzhaarig wie Ebenholz und ward darum Schneewittchen genannt.]
(Gebrüder Grimm: Kinder- und Hausmärchen)
Über anaphorische Beziehungen wird die Kohäsion, über rhetorische Beziehungen die Kohä- renz eines Textes hergestellt.
2.1.1 Anaphorische Beziehungen
Die anaphorische Referenz wird über eine anaphorische Beziehung des Ausdrucks zu einem Antezedens (oder Antezedenten) hergestellt, mit dem die Anapher häufig koreferent ist, d.h. denselben Referenten hat.
Anaphorische Beziehungen können durch Koindizierung ausgedrückt werden.
(2) Es war einmal mitten im Winter, und die Schneeflocken fielen wie Federn vom Himmel herab. Da saß eine Königin1 an einem Fenster, das einen Rahmen2 von schwarzem Ebenholz3 hatte, und nähte. Und wie sie1 so nähte4 und nach dem Schnee aufblickte, stach sie1 sich1 mit der Nadel4 in den Finger, und es fielen drei Tropfen Blut in den Schnee. Und weil das Rote im weißen Schnee so schön aussah, dachte sie1 bei sich: Hätt’ ich ein Kind, so weiß wie Schnee, so rot wie Blut und so schwarz wie das Holz3 an dem Rahmen2! Bald darauf bekam sie1 ein Töchterlein, das war so weiß wie Schnee, so rot wie Blut und so schwarzhaarig wie Ebenholz und ward darum Schneewittchen genannt.
Durch anaphorische Beziehungen werden also indirekt die Beziehungen zwischen den ‚Dingen’ etabliert, von denen in Texten die Rede ist.
2.2.2 Rhetorische Beziehungen
Rhetorik (griech. ‚die Redekunst’) ist die Kunst der Beredsamkeit oder der Überzeugung. Sie stammt aus der griechischen Antike.
Entsprechend sorgen rhetorische Beziehungen dafür, den inhaltlichen Zusammenhang bzw. die Bezüge zwischen den Aussagen eines Textes herzustellen.
Zu den rhetorischen Relationen gehören u.a.:
• Erzählung
• Erklärung
• Resultat
• Ausarbeitung, Ausschmückung
• Hintergrund
Die verteilten Rollen von anaphorischen und rhetorischen Beziehungen lassen sich wie folgt veranschaulichen:
(3)
(4) [Es war einmal mitten im Winter, und die Schneeflocken fielen wie Federn vom Himmel herab.]1A
[Da saß eine Königin an einem Fenster, das einen Rahmen von schwarzem Ebenholz hatte, und nähte.]1B
[Und wie sie so nähte und nach dem Schnee aufblickte,]1C
[stach sie sich mit der Nadel in den Finger,]1D
[und es fielen drei Tropfen Blut in den Schnee.]1E
[Und weil das Rote im weißen Schnee so schön aussah,]1F
[dachte sie bei sich: Hätt’ ich ein Kind, so weiß wie Schnee, so rot wie Blut und so schwarz wie das Holz an dem Rahmen!]1G
[Bald darauf bekam sie ein Töchterlein, das war so weiß wie Schnee, so rot wie Blut und so schwarzhaarig wie Ebenholz und ward darum Schneewittchen genannt.]1H
2. Kohäsion und Kohärenz
Die wichtigsten Kriterien für Textualität, d.h. das Vorliegen eine Textes sind Kohäsion und Kohärenz.
2.1 Kohäsion
Unter der Kohäsion eines Textes wird die Anzeige von satzübergreifenden Bedeutungszusammenhängen durch lexikalische oder syntaktische Mittel verstanden.
Zu den Kohäsionsmitteln gehören:
• Rekurrenz, d.h. Wiederaufnahme eines bereits früher verwendeten Ausdrucks
Dort drüben steht mein PKW. Die Farbe meines PKWs ist grün.
• Koreferenz
– durch Substitution eines Synonyms, Hyponyms oder Hyperonyms
Dort drüben steht mein PKW. Die Farbe meines Personenkraftwagens / VW Passat / Fahrzeugs ist grün.
– durch anaphorischen Bezug
Dort drüben steht mein PKW. Er / der / der PKW / das Fahrzeug ist grün.
• Partitive Anaphora
Dort drüben stehen mehrere PKWs. Einer gehört mir.
• Gattungsbezogene Anaphora
Der VW Käfer ist sehr begehrt. Einen wünsche ich mir.
• Koreferenz durch faktische Identität, d.h. auf der Basis von außersprachlicher Faktenkenntnis
Der VW Käfer ist sehr begehrt. Das erste Auto aus Wolfsburg wurde über 21,5 Millionen Mal hergestellt.
• Indirekte Anaphern: Bridging, d.h. ‚Brückenbildung’ auf der Basis von allgemeinem Weltwissen
Dort drüben steht ein PKW. Das Dach ist beschädigt.
Dort drüben steht ein PKW. Der Fahrer schläft.
• Konnexion durch
– Konjunktion mit und oder Disjunktion mit oder
– Kontrajunktion mit aber, jedoch, nichtsdestoweniger
– Subordination mit weil, denn, deshalb, während
• Ellipsen, d.h. Ausdrücke, die durch Information aus dem sprachlichen Kontext ergänzt werden müssen
Dort drüben steht ein PKW. Und daneben ein Fahrrad.
• Temporale kohäsive Ausdrücke wie davor und zugleich
Erst kaufte sich Hans einen VW Passat. Dann fuhr er in den Urlaub.
2.2 Kohärenz
Kohäsion ist keine hinreichende (und auch keine notwendige) Bedingung für die Textualität einer Satzfolge. Eine notwendige und hinreichende Bedingung ist hingegen Kohärenz.
Unter der Kohärenz eines Textes versteht man die Art und Weise, wie sich seine Teile inhaltlich aufeinander beziehen und dadurch ein Ganzes bilden. In einem kohärenten Text gibt es für jeden Textteil eine Funktion im Hinblick auf den gesamten Text, und kein Teil fehlt, der für das Verständnis des Gesamttextes wichtig ist.
Die Textkohärenz wird vor allem über rhetorische Beziehungen hergestellt. Sie werden deshalb auch als Kohärenzrelationen oder als Diskursrelationen bezeichnet.
• Erklärung. Ein Satz B ist in Explanationsrelation zu einem vorangehenden Satz A, wenn B das Ereignis beschreibt, das Ursache des von A beschriebenen Ereignisses ist.
a. Hans fiel,
b. denn Max schubste ihn.
• Erzählung. Ein Satz B ist in Narrationsrelation zu einem vorangehenden Satz A, wenn das mit B beschriebene Ereignis später als das von A beschriebene Ereignis stattgefunden hat.
a. Hans fiel.
b. Maria half ihm beim Aufstehen.
• Resultat. Ein Satz B ist in Resultatsrelation zu einem vorangehenden Satz A, wenn B einen Zustand beschreibt, der durch ein von A beschriebenes Ereignis herbeigeführt wird.
a. Max schaltete das Licht aus.
b. Der Raum war dunkel.
• Ausarbeitung, Ausschmückung. Ein Satz B ist in Elaborationsrelation zu einem vorangehenden Satz A, wenn B einen Teil des Ereignisses beschreibt, das A beschreibt.
a. Max hat ein Haus gebaut.
b. Fritz zeichnete den Plan.
Die wichtigsten Theorien der gegenwärtigen Text- und Diskursanalyse sind:
• die Centering-Theorie CT, die die Wahl pronominaler Mittel zur Herstellung von Kohäsion beschreibt;
• die Rhetorische Strukturtheorie RST, in der es um die Erfassung von Kohärenzrelationen zwischen Textteilen geht;
• die Diskursrepräsentationstheorie DRT, die formale Beschränkungen für die anaphorische Zugänglichkeit bestimmt und ein Modell des rekursiven Informationsaufbaus in Texten liefert.
3. Konnektoren
Unter Konnektoren verstehen wir Wortschatzeinheiten, die auf der obersten Ebene grammatischer Kombinationsmöglichkeiten, der Syntax, Sätze miteinander verknüpfen und dabei spezifische semantische Relationen wie kausal, adversativ, restriktiv ausdrücken.
Über diese Ebene hinaus sind bei der Verknüpfung nur noch inhaltliche Phänomene wirksam.
Die funktional definierte Klasse der Konnektoren ist keine Wortart im herkömmlichen Sinne, sondern eine Mischklasse, deren Elemente verschiedenen Wortarten angehören. Dazu zählen alle Konjunktoren und relationalen Subjunktoren, alle Konnektiv-Partikeln, Teilmengen der Adverb-Subklasse Präpositionaladverb und der Partikel-Subklassen Abtönungs- und Fokuspartikel.
Konnektoren lassen sich nach den durch sie hergestellten Relationen in semantische Klassen einteilen. Nach ihren syntaktischen und topologischen Eigenschaften lassen sie sich einteilen in die zwei syntaktischen Grobklassen integrierbare Konnektoren (Adverbien und Partikeln) und nicht-integrierbare Konnektoren (Junktoren).
3.1 Syntaktische Eigenschaften und Subklassen
Im Handbuch der deutschen Konnektoren werden Konnektoren auf der Basis ihrer Stellungsmöglichkeiten in die zwei Grobklassen integrierbare und nicht-integrierbare Konnektoren eingeteilt.
· Integrierbare Konnektoren sind solche, die in einen Satz als Konstituente topologisch und syntaktisch integriert werden können; sie gehören den Wortarten Adverb und Partikel an. Weitere Feinklassifikationen lassen sich nach ihren Stellungsmöglichkeiten vornehmen (Nullstelle, Nacherstposition, Mittelfeld, Nachfeld).
· Nicht-integrierbare Konnektoren können nicht als selbständige Konstituenten eines ihrer Konnekte fungieren und sind auch topologisch nicht integrierbar; ihrer Wortart nach sind sie Konjunktoren und Subjunktoren. Weitere Feinklassifikationen lassen sich nach dem syntaktischen Format ihrer Konnekte vornehmen (Verbletztsatz, Verbzweitsatz).
Die so gewonnenen Klassen sind also primär Positionsklassen und nicht deckungsgleich mit der Subklassenbildung bei den Wortarten Adverb, Partikel und Junktor.
INTEGRIERBARE KONNEKTOREN |
||
syntaktisch-topologische Subklasse |
Wortart |
|
nicht positionsbeschränkte Adverbkonnektoren |
allerdings, also, freilich, immerhin, insbesondere, jedoch, schließlich, unterdessen, wenigstens |
|
nicht nacherstfähige Adverbkonnektoren |
angesichts dessen, aufgrund dessen, außerdem, dabei, dagegen, darauf, darüberhinaus, darum, davor, demnach, demzufolge, deshalb, hiermit, ohnehin, seitdem, soweit, stattdessen |
|
stark positionsbeschränkte Adverbkonnektoren |
auch, beziehungsweise, da, dafür, dann, doch, ebenso, sonst, sowieso |
|
nicht vorfeldfähige Adverbkonnektoren |
denn, eben, eh, einfach, etwa, halt, ja, nämlich, sogar |
NICHT-INTEGRIERBARE KONNEKTOREN |
||
syntaktische Subklasse |
Wortart |
|
Konjunktoren |
das heißt, ja, oder, sondern, sowie, und |
|
Subjunktoren |
Teilmenge der Subjunktoren (nicht dass und ob) |
als wenn, angenommen dass, da, ehe, indem, obwohl, sooft, vorausgesetzt dass, während, weil, wenn |
Postponierer |
Teilmenge der Subjunktoren: können nur zwischen den Konnekten stehen |
auf dass, als dass, sodass,weshalb, wohingegen, wobei |
Verbweitzsatzeinbetter |
nicht erfasst |
angenommen, gesetzt, gesetzt den Fall, unterstellt, vorausgesetzt |
3.2 Semantische Eigenschaften und Subklassen
Konnektoren drücken eine spezifische zweistellige Bedeutungsrelation aus. Die Argumente ihrer relationalen Bedeutung sind Propositionen, also Entwürfe von Sachverhalten. Die Argumente werden typischerweise durch Satzstrukturen ausgedrückt, mitunter aber auch durch attributive Strukturen, die sich nicht in Sätze umwandeln lassen. Sollen sich weil er immer freundlich war und beliebt aufeinander beziehen, können sie nur so wie in (1) miteinander verbunden und nicht wie in (2) als Satz realisiert werden.
(1) Der – weil er immer so freundlich war – beliebte Kollege wurde fristlos entlassen.
(2) Der beliebte Kollege, weil er immer so freundlich war, wurde fristlos entlassen.
Die durch Konnektoren zum Ausdruck gebrachten semantischen Relationen entsprechen teilweise den inhaltlich bestimmten semantischen Subklassen von Adverbien, sie liefern zum Beispiel kausale, adversative, restriktive, konzessive und finale Spezifikationen.
SEMANTISCHE KLASSE |
|
additiv |
auch, außerdem, ferner, sowie, sowohl als auch, und |
adversativ |
aber, allein, allerdings, dagegen, demgegenüber, während, wohingegen |
exklusiv-disjunktiv |
entweder oder |
inklusiv-disjunktiv |
beziehungsweise, oder, und/ oder, oder auch |
explikativ |
das heißt, nämlich, und zwar |
final |
auf dass, damit, dazu, wozu |
inkrementiv |
ja, sogar |
instrumental |
anhand dessen, dabei, dadurch, hierdurch, hiermit, indem, somit, während, wobei, wofür, wozu |
kausal |
da, denn, nämlich, weil |
konsekutiv |
also, dadurch, daher, damit, dann, darum, demnach, demzufolge, deshalb, deswegen, folglich, hierdurch, hiermit, infolgedessen, insofern, insoweit, mithin, sodass, somit, weshalb |
konzessiv |
aber, dennoch, dessen ungeachtet, doch, gleichwohl, jedoch, nichtsdestotzotz, nichtsdestoweniger, obgleich, obwohl, trotzdem, ungeachtet dessen, zwar … aber |
konditional |
angenommen dass, angenommen, falls, gegebenenfalls, gesetzt den Fall dass, sofern, sosehr, vorausgesetzt dass, vorausgesetzt, wenn, zumal wenn |
komparativ |
als ob, als wenn, dementsprechend, dergestalt dass, ebenfalls, ebenso, entsprechend, gleichfalls, so, somit wie wenn, wie |
proportional |
je … desto, je nachdem, je … umso |
restriktiv |
freilich, insofern, insofern als, insoweit, insoweit als, jedenfalls, nur, nur dass, soviel, soweit, vorbehaltlich dessen, wofern, zwar, |
negativ-restriktiv |
außer, denn, es sei denn |
subtraktiv |
ohne dass |
substitutiv |
anstatt, anstatt dass, anstatt dessen, anstelle dessen, bevor, ehe, eher, sondern, statt, statt dass, stattdessen |
temporal |
als, bevor, bis, bis dass, da, danach, dann, davor, dazwischen, derweil, ehe, gleichzeitig, indes, indessen, inzwischen, kaum dass, nachdem, seit, seitdem, sobald, solange, sooft, sowie, unterdessen, während, währenddessen, zugleich, zwischendurch |
4. Anapher und Katapher
Eine Anapher (griech. ‚zurückführen’) ist ein Ausdruck, dessen Referenz durch Verweis auf etwas im Kotext (oder Diskurskontext) Vorerwähntes bestimmt wird. Basis der textgebundenen Referenz ist eine anaphorische Beziehung des Ausdrucks zu einem Antezedens (oder Antezedenten), mit dem die Anapher typischerweise koreferent ist, d.h. denselben Referenten hat.
Als Anaphern fungieren:
· die Personalpronomen er, sie und es
· die Demonstrativpronomen dies– und jen–
· die definiten Determinatoren der, die und das
· die Indefinitpronomen ein-
· die Possessivpronomen sein- und ihr-,
· Pro-Formen wie dort, hier, damals etc.
· das Reflexivpronomen sich
· das Reziprokpronomen einander
· definite und demonstrative NPn
Beispiele:
(1) [Max]1 hat [ein Eis]2 gegessen. Das2 hat ihm1 gut geschmeckt.
(2) [[Max]1 hat sich1 [ein Eis]2 gekauft und es2 gegessen.]3 Das3 hat insgesamt zehn Minuten gedauert.
(3) [Max]1 ist in [ein Cafe]2 gegangen. Dort2 hat er1 ein Eis gegessen.
Manchmal geht die ‚Anapher’ auch dem Ausdruck voran, der den Referenten liefert. Es wird dann von Katapher gesprochen.
Beispiel:
Weil er1 schon viel gegessen hat, ist [Max]1 nicht hungrig.
Koreferenz zwischen der Anapher und ihrem Antezedens ist zwar prototypisch, aber nicht zwingend. 10 Referenz, Textualität, Informationsstruktur.
Ausnahmen sind Fälle mit quantifizierendem Antezedens. Hier ist die Anapher (ebenso wie das Antezedens) nicht-referenziell.
Beispiele:
(1) [Jedes Kind]1 hat ein Eis gegessen, das ihm1 (≠ jedem Kind) geschmeckt hat.
(2) [Kein Kind]1 hat ein Eis gegessen, das ihm1 (≠ keinem Kind) geschmeckt hat. ?
Eine nicht-referenzielle Anapher wird also als Variable durch das Antezedens gebunden. Man spricht deshalb in solchen Fällen von einer gebundenen Anapher.
Kriterien für die Festlegung des anaphorischen Bezugs sind u.a.:
· Übereinstimmung im Genus
· Differenz in der textuellen Distanz
Beispiele:
(1) Max besuchte Fritz. Er gratulierte ihm zum Sieg.
(2) Max besuchte Fritz. Dieser gratulierte ihm zum Sieg.
5. Deixis
Deixis (griech. ‚zeigen’) oder Indexikalität liegt vor, wenn die Referenz von Ausdrücken durch Verweis auf Aspekte der unmittelbaren Äußerungssituation bestimmt wird.
Basis der situationsgebundenen Referenz ist nach dem Sprachpsychologen Karl Bühler (1934) die Hier-Jetzt-Ich-Origo, d.h. der Nullpunkt oder Sprecher-Raum-Zeit-Punkt des Koordinatensystems, von dem aus ‚gezeigt’ wird.
Als Arten von Deixis werden Personaldeixis, Objektdeixis, Lokaldeixis und Temporaldeixis unterschieden:
· Personaldeixis ist die Referenz auf die Sprecher und die Adressat, d.h. das ‚Personal’ der Äußerung.
Ausdrücke der Personaldeixis sind die Personalpronomina ich und wir bzw. du, ihr und Sie (als Distanzform).
Die Ausdrucksbedeutung von ich ist, dass damit die Sprecherin, die von du ist, dass damit die Adressatin der Äußerung angezeigt wird (kurz: >die Sprecher< bzw. >die Adressat<)
· Objektdeixis ist die Referenz auf Objekte in der unmittelbaren Äußerungssituation.
Ausdrücke der Objektdeixis – zumeist in Verbindung mit einer verdeutlichenden Zeigegeste – sind:
o das proximale Demonstrativpronomen dies– (ein Gegenstand in der näheren Umgebung des Äußerungsorts)
o das distale Demonstrativpronomen jen– (ein ein Gegenstand in der weiteren Umgebung des Äußerungsorts)
o die demonstrativ gebrauchten und dabei meist betonten definiten Determinatoren der, die und das,
o die demonstrativ gebrauchten und dabei meist betonten Personalpronomen er und sie,
o demonstrative und demonstrativ gebrauchte definite NPn.
· Lokaldeixis ist die Referenz auf Orte, die in einem bestimmten Verhältnis zum Äußerungsort stehen.
Ausdrücke der Lokaldeixis sind lokale Adverbien wie:
o hier: am (enger oder weiter gefassten) Ort der Äußerung (kurz: >der Sprecherort
o da: an einem Ort in der Nähe des Äußerungs- ortes
o dort: an einem Ort in größerer Distanz zum Äußerungsort
o da vorn: an einem im Gesichtsfeld liegenden Ort in der Nähe des Äußerungsortes
o hierher: eine Bewegung hin zum Äußerungsort
· Temporaldeixis ist die Referenz auf Zeiten, die in einem bestimmten Verhältnis zur Äußerungszeit stehen.
Ausdrücke der Temporaldeixis sind temporale Adverbien wie
o jetzt: zur (enger oder weiter gefassten) Zeit der Äußerung (kurz: die Äußerungszeit
o Vorher: zu einer Zeit vor der Zeit der Äußerung
o heute: am Tag der Äußerung
o morgen: am Tag nach dem Tag der Äußerung
o gestern: am Tag vor dem Tag der Äußerung
Auch die Tempusformen haben einen deiktischen Charakter und zwar insofern, als mit ihnen eine zeitliche Lokalisierung in Bezug auf die Äußerungszeit erfolgt.
Die bisher betrachteten Fälle sind Standardfälle von Deixis; sie gehören zum Modus der situativen Deixis.
Beispiele:
(1) Ich werde dich morgen dort treffen.
(2) Dás hat ér gestern da vorn gefunden.
Gib die Ausdrucksbedeutungen der vorkommenden deiktischen Ausdrücke und Formen sowie der Sätze an.
Gib für passende Szenarien entsprechende Äußerungsbedeutungen an.
Man unterscheidet weitere Modi der Deixis, bei denen kein Bezug auf die unmittelbare Äußerungssituation genommen wird:
· Imaginative Deixis (oder ‚Deixis am Phantasma’): Bezug auf eine Vorstellung, Annahme etc., d.h. eine fiktive Äußerungssituation
· Vorwissendeixis: Bezug auf vorhandenes gemeinsames Weltwissen von Sprecherin und Adressatin
· Textdeixis (oder Diskursdeixis): Bezug auf einen Aspekt des vorangehenden Textes (oder Diskurses)
· Anaphorische Deixis: Bezug auf einen im Kotext (oder Diskurskontext) vorerwähnten Gegenstand
Textdeixis und anaphorische Deixis sind Mittel der Textkohäsion.